Texte

Die Malerin Anne E. Kreienbühl ist eine Künstlerin, die es in einem besonderen Masse versteht, in ihren Bildräumen auf eine persönliche Spurensuche zu gehen. Ob sie sich mit der Thematik des Netzes, der Vernetzung auseinandersetzt, sich mit der Figur beschäftigt oder ihrem neusten Thema „Terra“ zuwendet, immer sucht sie Vertiefung und Erkennung. Ihre malerischen und zeichnerischen Prozesse sind geprägt von dichten Formulierungen, von gegeneinander versetzten Linien, oder von solchen, die in ein bewusst markiertes Zentrum hineinführen, wie dies bei den Bildern „Terra“ der Fall ist. Man erkennt ein kreisrundes Stück Erde, in einem satten Rot gemalt, das von der Verwurzelung des Menschen erzählt und seiner nie endenden Sehnsucht, irgendwo aufgehoben zu sein. Mit unglaublicher malerischer Begabung baut sie diese Elemente der dichten Linien und netzartigen Verbindungen aus, kreiert schraffierte Flächen, umkreist, betont, arbeitet mit differenzierten Farbgebungen. Nie aufdringlich, immer in den Gesamtausdruck eingebunden, so als möchte sie signalisieren, dass der Mensch in ihren Bildaussagen immer anwesend ist, auch wenn wir ihn formal nicht erkennen, denn überall begegnen wir seinen Spuren, spüren wir seine Verknüpfungen, seine Ordnungen, seine gesetzten Zeichen.
Zeichen, Netze, schemenhafte Andeutungen eines Körpers oder die erdigen Bilder „Terra“ erzählen eindrücklich von solchen Vorgängen. Die Farben variieren. Leuchtendes Blau wechselt über zu hellem oder dunklem Gelb, zu zartem Grün und in der neusten Serie zu erdigen Brauntönen, betont mit dunklem Rot, oft als Mittelpunkt. Es ist dies eine spannende Malerei, weil sie in ihrer reduzierten formalen Gestaltung alles offen lässt und doch gezielt Zeichen setzt, die erkannt werden sollen. So bewegt sich die Malerin Anne E. Kreienbühl zwischen bewusst gesetzten Zeichen und Spuren, die aber nicht bis in jede Einzelheit entschlüsselt werden können, sondern immer auch Geheimnis bleiben, weil die Suche nach der Identität immer auch eine persönliche ist.

Madeleine Schüpfer, Kulturjournalistin, Olten

La pittrice Anne E. Kreienbühl è un’ artista che nelle sue immagini riesce in particolar modo ad andare alla ricerca di tracce personalizzate. Ambisce sempre all’ approfondimento e alla comprensione degli argomenti a cui si ispira, come ad esempio le reti, l’interconnessione o le figure o quando si tratta del suo ultimo tema « terra ». I suoi processi di pittura e di disegno sono impregnati di formulazioni dense, di linee scalate fra di loro oppure di linee che conducono volutamente a un punto centrale, come accade per le opere « terra ». Si riconosce un pezzo di terra rotondo, dipinto in un rosso intenso, che racconta del radicamento dell’essere e del suo infinto anelito di sentirsi al sicuro in qualche posto. Con incredibile talento elabora questi elementi delle linee fitte e dei collegamenti reticolari, crea superfici tratteggiate, accerchia, sottolinea, opera con colorazioni differenziate. Mai invadente, la sua opera è inserita in un’ espressione complessiva, come per segnalare che l’essere umano è sempre presente, anche se formalmente non lo riconosciamo, ma scorgiamo ovunque le sue impronte, sentiamo i suoi collegamenti, il suo ordinamento intrinseco, i segni lasciati.
Segni, reti, allusioni schematiche di un corpo oppure le pitture « terra » raccontano in modo impressionante di questi processi. I colori si susseguono : un blu luminoso passa a un giallo chiaro o scuro, a un verde delicato e nella sua nuova serie a tonalità marroni, accentuata con un rosso intenso, spesso collocato al centro dell’immagine. Ê una pittura accattivante perché nella sua presentazione formalmente ridotta lascia tutto aperto impostando segnali mirati che vogliono essere volutamente che però non sono da decriptare fino nel minimo dettaglio, ma rimanendo per sempre un segreto, perché la ricerca dell’ identità è sempre un cammino personale.

Publikationen:

1984 « Die Unbeteiligten » Willisauer Bote vom 4. April 1985
2007 «Tracce-Segni» Michele Circiello/Anne E. Kreienbühl
2009 «Il viaggio di pensieri» Willisauer Bote vom 22. Dezember 2009

Eine Gedankenreise ohne Anfang und Ende

Madeleine Schüpfer

Die Malerin Anne E. Kreienbühl lebt seit vielen Jahren in Schötz, wo sie auch ihr Atelier hat. Doch es wäre dies nicht Anne, wenn sie nicht noch ihre Flügel weiter ausspannen würde! So hat sie für sich Apulien entdeckt, wo sie in regelmässigen Abständen einen Studienaufenthalt absorbiert. Sie lebt während ein paar Wochen im Jahr in Vieste, am Meer gelegen. Sie hat Freundschaften mit Kunstschaffenden geknüpft und vertieft sich immer wieder neu in diese herrliche Landschaft aus Himmel, Erde und Meer. Apulien motiviert und inspiriert sie zu besonders fesselnden Bildern. Da sie die subtilen Farbübergänge liebt, das erdig Schwere und das luftig Leichte, vor allem aber das Licht im Zentrum ihrer Gedankenwelt, kommt ihr diese wunderschöne Landschaft sehr entgegen. Mit den Jahren hat sie erkannt, dass nichts festzuhalten ist, weder die schönen Augenblicke, noch die schmerzlichen. Alles ist fliessend, auf Bewegung ausgerichtet, löst sich auf, um in neuen Bildern wieder geboren zu werden. Diese Vorgänge fesseln und beschäftigen diese begabte Künstlerin, die es meisterlich versteht, hinter die Dinge zu sehen und den verborgenen Schönheiten des Lebens ständig auf der Spur ist.

Unter dem Thema „Il viaggio dei pensieri“ hat sie in der letzten Zeit fesselnde Bilder geschaffen. In früheren Jahren liebte sie in ihren Zeichnungen den Strich, die figurativen Elemente, die Figur, nie ausformuliert, immer alles offen lassend. In den letzten Jahren hat sie in den Weg der Abstraktion gefunden, wobei die Farben, leuchtendes Blau, Gelb oder Grün, manchmal auch Rot und Braun eine entscheidende Rolle spielten. In den neuen Bildern ist Anne E. Kreienbühl wieder einen entscheidenden Schritt weiter gegangen, in eine neue gestalterische Welt hinein, die noch minimalistischer mit Formen und Zeichen umgeht. Die Fläche wird nicht mehr dicht bestückt mit ineinander verwobenen und vernetzten Strichen und Mustern, sondern sie wird luftig und leicht und verzichtet auf die rasterartigen Markierungen. Ein neues Gefühl für Freiheit, spielerische Leichtigkeit entsteht, so als könnte man lästige Fesseln in der Betrachtung hinter sich lassen und eintauchen in eine Welt ohne Grenzen.
Eine goldene Sonne, Licht füllt die Mitte des Bildraumes aus, gross und dominant. Die Fläche ist durchzogen von feinen filigranen Strichen und Markierungen, bewusst gesetzt und doch auch dem Zufall zugeordnet, so als möchte man nur mehr fein antönen, dass der Mensch mit seinen intellektuellen und emotionalen Gedankengängen immer gegenwärtig ist, aber dennoch nichts Zwingendes dem Betrachter aufdrängt. Die Welt der Gedanken bekommt vertiefte Bedeutung. Die goldene Scheibe wird von fünf regelmässig gesetzten Bahnen in feinen Strichen betont. Es sind dies weg- oder stabartige Markierungen, die über sie hinausgehen und ihr die wahnwitzige Dimension geben, hinter einem Gitter gefangen zu sein. So als möchte man das Licht einbinden, für Augenblicke dingfest machen, um es in seiner ganzen Fülle und Stärke
zu geniessen.
Auf einem anderen Bild mit dem Titel „La speranza“ löst sich die goldene Sonne hinter den gezeichneten Stäben auf. Man erkennt noch oben ihren Rand, unten ist ein Teil der Fläche weiss, und die Markierungen lassen die feinen musterartigen Verzierungen aufleben. „La speranza II“ wirkt wieder ganz anders. Da schiebt sich eine goldene Scheibe, in der Mitte durchbrochen, über eine schwarz-weisse, die geschlossen bleibt, aber dennoch eine Trennungslinie in der Mitte hat und gleich einem verlorenen Schatten in den Dialog mit der goldenen tritt. Wunderschön ist das Bild mit dem golden gefärbten Kreis mit den drei Figuren im Innern. Sie liegen da wie in Gräbern aufgereiht, nur fein angedeutet und doch von starker Präsenz, weil man erkennt, dass dieser Aussage etwas Endgültiges anhaftet. So als hätte man sich vom Licht der Erde verabschiedet und einen Ort gefunden, wo das Vergessen in sich selbst ruht. Die Künstlerin nennt es „la paura“, und man kann die Angst nachvollziehen, denn dieses Bild erzählt vom Gehen des Menschen, auch wenn er vielleicht irgendwo aufgefangen wird. Reizvoll ist die goldene Scheibe mit den zwei kleinen Schiffen in Fahrt, Segelschiffe, die ein Stück Lebensfreude signalisieren, weil man das Gefühl von Aufbruch hat. Die geteilte Scheibe in Hell und Gold, wobei in der goldenen Fläche eine Feder auszumachen ist, fliegt auseinander, teilt sich. Das Dasein bekommt eine nie geahnte Leichtigkeit, so als hätte man das Fliegen immer schon gekonnt, und müsste es nicht erst noch als erdgebundenes Wesen erlernen. Interessant sind auch die Bilder mit dem Netz, gleich einem Spinnennetz sind die feinen Fäden miteinander verwoben, so als könnte man jeder Spur nachgehen, in der Hoffnung, irgendwo anzukommen. Was besonders gefällt ist der Garten, eigentlich ein verstecktes Labyrinth, geometrisch aufgelöst, mit quadratischen, leicht verzerrten Aufteilungen. Er erinnert an einen Irrgarten in einem Park, in dem man beim Spazieren verloren geht und sich doch geborgen fühlt.

Das Thema Netz in all seinen Schattierungen ist für Anne E. Kreienbühl ebenso wesentlich in der Gestaltung wie der Kreis. Auch in ihm geht sie auf eine Gedankenreise, sucht nach dem verloren gegangenen Paradies, erzählt von Bäumen und Vögeln, von Schmetterlingen über den Blumen. Nie so, dass man auf Anhieb all diese Motive erkennt, sondern nur so, als träumte man davon, leicht verwischt und kaum gedacht, schon wieder in sich selbst auflösend.
Sie ist eine vielseitige, interessante Künstlerin, die sich ihr Schaffen nicht leicht macht. Kritisch, leidenschaftlich sucht sich nach Ausdrucksformen, die ihr ständig neue Wege öffnen. In den gegenwärtigen Bildern wird die Ölfarbe auf handgeschöpftes Papier aufgetragen, und zwar mit Goldfarbe, wobei jeder Pinselstrich fest sitzt und nicht mehr verändert werden kann. Das Gemalte ist gesetzt und keine Korrekturen sind möglich. Dies macht diese Bilder so aussagestark, so fesselnd, weil man spürt, dass da ein Stück beseelter Augenblick während eines Malprozesses eingefangen wurde, an dem wir nun als Betrachter teilhaben dürfen. Anne E. Kreienbühl ist eine Malerin, die beeindruckt, die berührt und die sichtbar macht, dass die Gedankensprache nicht nur einer unendlichen Reise gleicht, sondern auch die Möglichkeit in sich trägt, die Dinge hinter den Dingen sichtbar zu machen.